Heilpraktiker und Zahnmedizin
Einige Fakten:
In Deutschland gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildung oder Studium, um Heilpraktiker*in zu werden. Entscheidend ist allein das Bestehen einer staatlichen Prüfung zur sogenannten Heilpraktiker-Erlaubnis. Diese Prüfung ist die Voraussetzung, um offiziell Heilkunde auszuüben – ganz ohne Studium oder formale Ausbildung. Das ist in etwa so, wie wenn jemand einen Beruf ergreifen könnte, ohne jemals eine Ausbildung gemacht zu haben – nur dass es beim Heilpraktiker durch die Prüfung abgesichert wird.
Wie läuft der Weg zum Heilpraktiker?
Rechtliche Voraussetzungen (bundesweit einheitlich geregelt):
Mindestalter: 25 Jahre
Schulabschluss: mindestens Hauptschulabschluss (oder vergleichbar)
Polizeiliches Führungszeugnis: ohne relevante Einträge
Gesundheitszeugnis: ärztliches Attest über körperliche und geistige Eignung
Prüfungsverfahren:
Schriftliche Prüfung (häufig ein Multiple-Choice-Test)
Mündliche Prüfung vor dem Gesundheitsamt
Ein wichtiger Punkt: Es handelt sich nicht um eine Fachprüfung, sondern um eine Unbedenklichkeitsprüfung – das Ziel ist sicherzustellen, dass keine Gefährdung der Volksgesundheit durch Unwissen besteht
Ausbildung?
Es gibt keine staatlich geregelte Ausbildung. Vorbereitungskurse, private Heilpraktikerschulen, Fernstudiengänge oder Selbststudium sind möglich – aber alles freiwillig. Auch wenn solche Angebote existieren, sind sie keine Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung
Darf ein Heilpraktiker zahnmedizinisch arbeiten?
Nein, ein Heilpraktiker darf keine Zahnmedizin ausüben – das ist gesetzlich verboten.
👉 Zahnmedizin gehört zur sogenannten „ausdrücklich vorbehaltenen Heilkunde“, die ausschließlich approbierten Zahnärzten oder Ärzten erlaubt ist.
Das heißt:
- Heilpraktiker dürfen keine Zähne behandeln
- Keine Kariesdiagnose, keine Zahnextraktion, keine Wurzelbehandlung, keine Füllungen, keine Zahnschmerzen behandeln etc.
- Auch Zahnfleischbehandlungen (z. B. Parodontitis) sind nicht erlaubt
Die gesetzliche Grundlage ist § 1 Heilpraktikergesetz und die Rechtsprechung dazu (u. a. Urteile des BVerwG und diverser Verwaltungsgerichte).
Wichtig: Selbst für scheinbar harmlose Dinge wie z. B. „Zahnfleisch salben“ oder „Mundspülungen anwenden“ kann es rechtlich kritisch werden, wenn der Eindruck entsteht, es handle sich um eine Behandlung von Zahnerkrankungen.
Die Kritik an Heilpraktikern in Deutschland ist seit Jahren intensiv und kommt aus verschiedenen Richtungen – besonders aus der Wissenschaft, Medizin, Politik und von Verbraucherschützern. Hier eine sachlich gegliederte Übersicht der häufigsten Kritikpunkte:
🔍 1. Mangelnde medizinische Qualifikation
Zentrale Kritik:
- Heilpraktiker dürfen Heilkunde ausüben, ohne ein Medizinstudium absolviert zu haben.
- Die staatliche „Heilpraktikerprüfung“ prüft nur, ob von ihnen keine Gesundheitsgefahr ausgeht – nicht, ob sie wissenschaftlich fundierte Medizin beherrschen.
➡️ Zitat (Bundesärztekammer):
„Ein gravierender Mangel an medizinischer Ausbildung gefährdet die Patientensicherheit.“
Kritikpunkte:
- Inhalte und Tiefe der Vorbereitung stark variabel (keine einheitlichen Standards)
- Zulassung auch ohne klinische Erfahrung möglich
- Prüfungstiefe oft deutlich unter dem Niveau medizinischer Studiengänge
📚 2. Fehlende wissenschaftliche Fundierung
Hauptargument:
Viele Methoden, die Heilpraktiker anwenden (z. B. Homöopathie, Bioresonanz, Irisdiagnose), gelten in der evidenzbasierten Medizin als unwirksam oder nicht ausreichend belegt.
Problematisch:
- Patient*innen können fälschlich glauben, sie bekämen „alternative Medizin“, die genauso wirksam sei wie die wissenschaftliche.
- Verzicht auf wirksame Therapien (z. B. bei Krebs, psychischen Erkrankungen) kann zu lebensbedrohlichen Situationen führen.
⚖️ 3. Regelungslücke & unzureichende Aufsicht
Was kritisiert wird:
- Heilpraktiker unterliegen nicht denselben Qualitäts- und Dokumentationspflichten wie Ärzte.
- Es gibt keine systematische Kontrolle von Praxen, Hygienestandards, Abrechnungen oder Therapieverläufen.
- Weiterbildungspflicht? Qualitätsprüfung? Fortbildungspflicht? – Alles freiwillig.
Kontrast: Für Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte usw. gelten klar geregelte Berufsordnungen, Aufsicht durch Kammern, Weiterbildungsverpflichtungen, usw.
🧠 4. Psychotherapie durch Heilpraktiker (HPG)
Ein besonders sensibler Bereich:
- „Heilpraktiker für Psychotherapie“ (HPG) dürfen psychisch Kranke behandeln – auch schwere Störungen wie Depressionen, Angst, Trauma, Psychosen.
- Voraussetzung: Mini-Prüfung beim Gesundheitsamt, kein Studium oder praktische Erfahrung notwendig.
Kritik:
- Diese Situation sei für Patient*innen gefährlich.
- Es kommt zu Fehldiagnosen, unterlassener Hilfeleistung oder sogar zur Verschlechterung von Krankheitsverläufen.
📈 5. Wachsende wirtschaftliche Bedeutung trotz geringer Regulierung
- Heilpraktikerpraxen boomen (v. a. im städtischen Mittelstand).
- Die Preise sind frei wählbar – oft vergleichbar mit Privatmedizin.
- Krankenkassen erstatten teilweise Leistungen (z. B. Homöopathie) – obwohl sie wissenschaftlich umstritten sind.
Kritik von Verbraucherzentralen & Kassen:
Es wird mit dem „Heil“-Versprechen Geld gemacht, ohne ausreichende Kontrolle oder Nachweis der Wirksamkeit.
🚫 6. Gefährliche Einzelfälle und Todesfälle
Einige Fälle haben öffentliches Aufsehen erregt:
2016 starben mehrere Krebspatienten nach Infusionen bei einem Heilpraktiker in Brüggen (NRW).
- Immer wieder Fälle von falscher Diagnostik, übersehenen Tumoren, Vergiftungen durch alternative Mittel.
Diese Fälle haben die Debatte verschärft, ob das Heilpraktikerwesen in der heutigen Form noch verantwortbar ist.
🔧 7. Rufe nach Reform oder Abschaffung
Forderungen aus Fachkreisen:
- Abschaffung des Heilpraktikerberufs in der jetzigen Form
- Ersatz durch medizinische Assistenzberufe mit klarer Ausbildung
Oder: Strenge Reform mit einheitlicher Ausbildung, staatlicher Aufsicht, Fortbildungspflicht etc.
Beispielhafte Stimmen:
- Wissenschaftsrat
- Verbraucherschutzorganisationen
- Bundesärztekammer
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN)
🟨 Kontra: Was sagen Befürworter?
Heilpraktiker verteidigen sich häufig mit diesen Argumenten:
Patientenzentrierung: mehr Zeit, ganzheitlicher Blick, individuelle Ansätze
- Alternative zum System: Lücken in der Schulmedizin, zu kurze Arzttermine, chronische Fälle
- Freiheit der Therapiewahl: Menschen sollen selbst entscheiden dürfen, wem sie vertrauen
- Weniger Bürokratie, menschlichere Behandlung
🧾 Fazit
Die Hauptkritik am Heilpraktikerwesen lautet:
Es erlaubt medizinische Tätigkeit ohne fundierte Ausbildung, ohne wissenschaftliche Grundlage und ohne ausreichende Kontrolle – und das in einem Bereich, der für Leben und Gesundheit entscheidend ist.
Viele Expert*innen halten das aktuelle System für überholt, gefährlich oder zumindest dringend reformbedürftig.